by Helen Arling
- Die zunehmende internationale anerkennung der Rechte der Natur und ihre der möglichen einbeziehung der in nationale und internationale rechtsrahmen
- Konflikte mit dem grundsatz der souveränität im internationalen recht und der notwendigkeit eines neuen systemischen rechtsansatzes
- Notwendigkeit, die bestehenden internationalen naturschutzmechanismen zu überdenken und das potenzial für einen Paradigmenwechsel hin zu einem neuen Rechtsrahmen, der die Verflechtung von Mensch und Natur anerkennt
“Die rechte der natur beruhen auf dem eigenwert und der schutzwürdigkeit der natur, die unabhängig von ihrem nutzen für den menschen bestehen. Sie stellen eine möglichkeit dar, eine ökozentrische rechtsphilosophie umzusetzen”
– Helen Arling
Rechte der Natur sind international auf dem Vormarsch. Erst kürzlich wurde publik, dass Irland möglicherweise Rechte der Natur in seine Verfassung aufnimmt (siehe hier und hier). In den USA und in Lateinamerika existieren entsprechende Regelungen bereits seit über 15 Jahren – von lokalen Initiativen bis zur Verfassungsebene in Ecuador (Artikel 71 bis 74). Auch in internationalen Dokumenten finden Rechte der Natur vermehrt Erwähnung: Auf Ebene der Vereinten Nationen (VN) besteht seit 2009 das Harmony with Nature-Programm, in dessen Rahmen regelmäßig Resolutionen und Reports verabschiedet werden. 2017 erkannte der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof in seiner Advisory Opinion OC-23/17, dass das Rechte auf eine gesunde Umwelt diese auch unabhängig von menschlicher Betroffenheit schützt (para 62). Im Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, einem unter der Biodiversitätskonvention geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag zum Biodiversitätsschutz, werden Rechte der Natur als „integraler Bestandteil seiner erfolgreichen Umsetzung“ genannt (Annex, para 7(b)).
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Rechte der Natur und deren internationale Umsetzung und zeigt Konflikte mit dem Souveränitätsprinzip als Baustein der internationalen Rechtsordnung auf.
International Rights of Nature Tribunal – Global Alliance for the Rights of Nature
Die Philosophie hinter Rechten der Natur
Der Rechte der Natur-Ansatz ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Grundsätzlich wird unter Rechten der Natur ein Rechtsmechanismus verstanden, welcher auf die Anerkennung von Ökosystemen oder der gesamten Natur als Rechtssubjekt abzielt. Dies geschieht im nationalen Recht entweder durch Anerkennung der Rechtspersönlichkeit von Natur, bestimmter Eigenrechte oder sogar von beidem (siehe hier, 15). Darüber hinaus steht hinter Rechten der Natur auch eine bestimmte Philosophie (siehe hier, 10-11) In ethischer Hinsicht bedeutet ein Rechte der Natur-Ansatz eine Abkehr von anthropozentrischen Naturschutzmotiven, welche sich an menschlichen Interessen orientieren und Mensch und Natur als getrennt betrachten (siehe hier). Der überwiegend ökonomisch motivierte Naturschutz wird mit schwachen Schutzmechanismen in Verbindung gebracht und hat eine drastische Verschlechterung des Zustands der Natur weltweit nicht verhindern können (siehe hier und hier, XV-XXIII).
Rechte der Natur hingegen gründen sich auf dem intrinsischen Wert und der Schutzwürdigkeit von Natur, die unabhängig von ihrem Nutzen für die Menschheit besteht. Sie stellen eine Möglichkeit dar, eine ökozentrische Rechtsphilosophie tatsächlich umzusetzen. Nicht zuletzt ist relevant, dass Rechte der Natur indigene Weltanschauungen, welche auf der Einheit von Mensch und Natur beruhen, mit dem westlichen Rechtekonzept kombinieren (siehe hier, 939). So finden Weltanschauungen lange marginalisierte Gruppierungen rechtliche Beachtung. Auch können Rechte der Natur und indigene Rechte sich gegenseitig verstärken, wenn sie sinnvoll konzipiert und umgesetzt werden (siehe hier, 421).
Internationale Rechte der Natur – aber wie?
Wie bereits erwähnt, spiegelt sich ein Rechte der Natur-Ansatz bereits in ersten völkerrechtlichen Dokumenten wider. Die Anerkennung von internationalen Rechten der Natur im universellen Sinne kann auf verschiedene Weisen erfolgen, welche ich hier kurz erläutere. Daneben besteht die Möglichkeit, dass sich Rechte der Natur als regionales Völkergewohnheitsrecht etablieren, worauf beispielsweise die Entwicklungen in einigen lateinamerikanischen Staaten hindeuten.
A. rechte der natur in internationalen umweltrechtsverträgen
Zunächst könnten Rechte der Natur Anerkennung im internationalen Umweltvertragsrecht erlangen. Zum einen könnten Rechte der Natur in internationale Umweltrechtsverträge aufgenommen, zum anderen deren Bestimmungen auf ökozentrische Weise interpretiert werden. Für ersteres bietet der zuvor erwähnte Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework einen ersten Anknüpfungspunkt. Auch existieren Vorschläge, Rechte der Natur in den Schutz der marinen Biodiversität jenseits der nationalen Gerichtsbarkeit zu integrieren (siehe hier). Zweitere Möglichkeit ließe sich beispielsweise über eine ökozentrische Auslegung des UN-Seerechtsübereinkommens von 1982 realisieren. Die hohe See und marine Biodiversität könnten hier bei einer entsprechenden Betrachtungsweise als direkte Rechtsträger gesehen werden (siehe hier, 54–57). Für die Vertretung ihrer Interessen liegt die Einrichtung eines speziellen Gremiums nahe.
Problematisch gestaltet sich die Justiziabilität internationaler Rechte hierbei, da das internationale Recht nur begrenzte Möglichkeiten für Rechtsschutz vorsieht. Die Einrichtung eines internationalen Umweltgerichtshofs könnte hier Abhilfe schaffen, wird aber auf erhebliche Gegenwehr von Staatenseite stoßen.
B. eine erweiterung der menschenrechte
Neben Rechten der Natur in internationalen Umweltrechtsverträgen könnten Rechte der Natur sich international durch eine Erweiterung der Menschenrechte manifestieren.
Unter diesem Ansatz werden Menschenrechte zu „Naturrechten“ erweitert, die sowohl menschliche Rechte als auch Rechte der Natur beinhalten. Ein solcher Paradigmenwechel trägt der Untrennbarkeit von Mensch und Natur Rechnung, welche auch generell Teil des Rechte der Natur-Ansatzes ist. Einen ersten Ansatz hierfür stellt die zuvor genannte Advisory Opinion OC-23/17 des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs dar.
Auch Artikel 15(1)(a) des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), das Recht, am kulturellen Leben teilzunehmen, bietet im Zusammenhang mit indigenen Belangen einen Eintrittspunkt für Rechte der Natur in das internationale Menschenrechtssystem. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) hat dieses Recht in seinem General Comment No. 26 mit Land und darauf praktizierten indigenen Weltanschauungen in Verbindung gebracht (paras 10, 16). Über Artikel 15(1)(a) ICESCR könnten zukünftig auch Rechte der Natur Eintritt in das internationale Recht finden (siehe auch hier).
C. ein neuer commons-ansatz
Zuletzt kann ein Paradigmenwechsel im Völkerrecht – hin zu einem ökozentrischen Ansatz, welcher Rechte der Natur anerkennt – auch über ein neues Verständnis der Global Commons erfolgen. Der Term „Global Commons“ bezeichnet Gebiete jenseits der nationalen Gerichtsbarkeit. Darunter fallen beispielsweise die hohe See, die Antarktis oder auch der Mond. Diese Gebiete sind als „common heritage of humankind“ zu verstehen, werden von Staaten kooperativ verwaltet und unterfallen nicht der nationalen Souveränität. Im Zusammenhang mit internationalen Rechten der Natur bestünde die Möglichkeit, das common heritage-Prinzip auf die Natur als Ganzes auszudehnen und deren intrinsischen Wert anzuerkennen (siehe hier, 8).
Eine Transformation des Völkerrechts
Derartige potenzielle Veränderungen haben große Bedeutung für das internationale Rechtssystem selbst, insbesondere für dessen Grundprinzip der (Staaten-)Souveränität. Im traditionellen Sinne steht Souveränität für die höchste Autorität über ein bestimmtes Gebiet (siehe hier). Zwar hat sich das Prinzip bereits erheblich verändert – insbesondere im Rahmen der Anerkennung internationaler Menschenrechte. Absoluter Herrschaftsanspruch nach innen und Unabhängigkeit nach außen wich Systemen internationaler Kooperation. Doch noch immer schränkt das Souveränitätsprinzip internationalen Naturschutz ein. Eine Betonung der Staatensouveränität in internationalen Umweltverträgen steht der Entwicklung starker Staatenverpflichtungen entgegen, teilweise scheitern derartige Verträge bereits in der Verhandlungsphase an Bedenken bezüglich einer zu starken Einschränkung der Staatensouveränität (siehe hier, 8).
Noch ausgeprägter ist dieser Konflikt, wenn es um einen internationalen Rechte der Natur-Ansatz geht. Hier steht schon das Framing von Natur als Objekt, insbesondere in Bezug auf permanente Souveränität über natürliche Ressourcen, mit der hinter Rechten der Natur stehenden Philosophie in Konflikt. Auch steht das mit Souveränität verbundene Territorialitätsprinzip im Widerspruch mit einem Ansatz, der Mensch und Natur als untrennbar verbunden sieht. Je universeller internationale Rechte der Natur umgesetzt werden sollen, desto stärker die Konfliktlage.
Einen theoretischen Rahmen für ein neues internationales Recht im Einklang mit internationalen Rechten der Natur bietet Earth system law. Dabei handelt es sich um eine neue, systemische Betrachtungsweise des Rechts. Eine detailliertere Beschreibung bedarf einer weitergehenden Ausführung. Doch lässt sich festhalten, dass Earth system law sich sowohl durch eine planetare Perspektive als auch durch einen polyzentrischen Partizipationsansatz auszeichnet (siehe hier). Durch die Anerkennung universeller Rechte wird territoriale Souveränität noch weiter eingeschränkt, auch überwindet ein Framing von Natur als Partizipant im internationalen Rechtssystem dessen Objektstatus unter dem Prinzip der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen.
Fazit
Zweifelsohne lässt ein internationaler Rechte der Natur-Ansatz viele Fragen offen. Da wäre die der Repräsentation, die der Durchsetzbarkeit von solchen internationalen Rechten und nicht zuletzt die nach der Wahrscheinlichkeit eines solchen Paradigmenwechsels. Doch die fehlende Effektivität existierender rechtlicher Instrumente und Mechanismen legt nahe, dass internationaler Naturschutz grundlegend neu gedacht werden muss. Internationale Rechte der Natur ermöglichen eine Abkehr von anthropozentrischer Schutzmotivation und tragen der Verbundenheit von Mensch und Natur Rechnung. Jedoch stehen sie im Konflikt mit dem völkerrechtlichen Prinzip der (Staaten-)Souveränität, sodass auch hier ein Umdenken notwendig erscheint. Earth system law könnte den Rahmen für ein neues Völkerrechtsverständnis schaffen, welches im Einklang mit internationalen Rechten der Natur steht und weiterer Auseinandersetzung bedarf.
Helen Arling
Trier University
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